Eine kleine Geschichte als Ratgeber
Wie ich Qigong kennen gelernt habe
Ich erinnere mich noch genau, wie ich nach der dritten Qigong-Stunde mit einer anderen Kursteilnehmerin zum Parkplatz lief. Wir kamen ins Gespräch und ich erzählte ihr von meinen Selbstzweifeln während des Kurses: „Irgendwie fühlt sich das nicht richtig an. Das habe ich mir anders vorgestellt. Vielleicht ist das doch nichts für mich“, verriet ich ihr unter 4 Augen. Dabei war ich anfangs Feuer und Flamme und super motiviert. Es war Zeit endlich etwas gegen meinen Alltagsstress zu tun und meine Wahl fiel dabei bewusst auf die chinesische Bewegungskunst Qigong. Klassische Meditation kam für mich nicht in Frage. Ich wollte etwas mit leichter Bewegung, ohne mich gleich im Fitnesscenter anzumelden. Etwas für Körper und Geist. Einen Ausgleich zu meinem hektischen Bürojob, bei dem ich dem aufdringlichen Gedankenkarussell entkommen konnte und das gut für meine Psyche ist.
Bloß nicht auffallen.
Doch schon nach den ersten Qigong-Stunden hatte ich das Gefühl, dass sich bei mir einfach keine Entspannung im Körper einstellen wollte. Die Leichtigkeit, von denen in diversen Blogs und Videos die Rede war, schien mir irgendwie verwehrt zu bleiben. Stattdessen verglich ich mich mit den anderen Kursteilnehmer* und eiferte ihren Bewegungen nach. Ich wollte, dass meine Abläufe möglichst denen der Gruppe glich. Ganz nach dem Motto „bloß nicht auffallen“
Heute weiß ich: Mir ging es damals wie vielen Anfängern beim Qigong. Und als ich vor 3 Jahren mit Qigong anfing, wäre mir eine Menge Frust erspart geblieben, hätte ich von den klassischen Startschwierigkeiten gewusst. Nachdem ich viel Zeit mit üben verbrachte und reflektierte, was das Training mit meinem Körper macht, fielen mir einige Dinge auf, die eine wichtige Rolle zu spielen schienen.
Hier einige Tricks, damit ihr Qigong von Anfang an richtig genießen könnt und ihr Entspannung für euren Körper, Geist und die Psyche findet.
Entspannung ist der Weg und nicht das Ziel.
„Entspannung ist eigentlich unser Ursprungszustand“ Wie viel Übung es allerdings braucht, um körperlich und seelisch so richtig zu entspannen, hat mir damals keiner verraten. Die Erkenntnis, dass man Entspannung auch verlernen kann, erkannte ich erst Monate später. Gleichzeitig war das auch mein persönlicher Knackpunkt.
Ab dem Zeitpunkt, wo ich erkannt habe, was ich loslassen muss, konnte ich die Wirkung der einzelnen Qigong-Übungen erst richtig spüren:
• Mein Bauch wurde weicher und ich konnte viel besser ausatmen
• Meine Bewegungen wurden flüssiger
• Die Grundhaltung fühlte sich immer gefestigter und angenehmer an
• Ich konnte Gefühle wie Ärger und Stress besser identifizieren und weiterziehen lassen
• Nach den Einheiten war ich viel gelassener und ruhiger
Für mich als eher aktiver und leistungsaffiner Mensch, war das ein Körpergefühl, dass ich fast vergessen hatte. Anspannung schien unbemerkt zu meinem persönlichen „Normal“ geworden zu sein. Und deswegen fiel es mir auch so schwer in den typischen „Flow“ zu gelangen. Ich war innerlich zu verkrampft und verkopft. Ich konnte nicht richtig in meinen Körper hinein fühlen. Innerlich Loslassen – das war mein Zauberwort! Und: Üben! Üben! Üben!
Qigong als Reise mit Erkenntnissen.
Seitdem ist Qigong für mich eine kleine Reise mit vielen wichtigen Sehenswürdigkeiten geworden, die nicht endet. Immer besser entspannen zu können und das nie wieder zu verlernen ist mein Weg auf dieser Reise.
Damit ihr direkt Loslassen könnt und euch einige Fragezeichen beim Üben erspart bleiben, habe ich für euch einige wertvolle Tipps für euer Qigong-Training.
7 Tipps für den Einstieg
1. HÖR AUF, QIGONG ÄSTHETISCH PERFEKT MACHEN ZU WOLLEN!
Du stehst gerade erst am Anfang. Es wäre einfach unlogisch, wenn deine Bewegungen bei den Übungen schon genauso sanft und fließend aussehen, wie die der anderen Teilnehmer. Und alle wissen das. Denn sie standen selber auch irgendwann mal am Anfang. Du brauchst dich also nicht beobachtet oder bewertet zu fühlen. Fühl dich frei und konzentriere dich auf das Gefühl der Bewegungen und deinen eigenen natürlichen Atemfluss.
2. NUR DEIN EIGENER ATEMRHYTHMUS ZÄHLT!
Versuche nie die Atmung und Bewegungen an dem des Lehrers anzupassen. Sonst ist man eher gehetzt und blockiert. Mache jede Übung in deinem eigenen Tempo und lass dir Zeit dabei. In sehr erfahrenen Gruppen sieht das natürlich super harmonisch aus. Aber dort stehst du noch nicht – und die anderen Teilnehmer wahrscheinlich auch nicht ;). Wenn du also etwas zu früh mit der Wiederholung fertig bist (meistens ist das eher der Fall, als dass du zu langsam sein wirst), dann ist das genau richtig. Hauptsache die Übung war für dich rund.
3. ATEMGERÄUSCHE – SIE KLINGEN BEI ALLEN IRGENDWIE MERKWÜRDIG
Es ist zu Beginn immer unangenehm – laut und tief aus dem Mund auszuatmen. Doch sei dir darüber bewusst, dass Atmen nicht sexy klingen muss, sondern sich gut anfühlen soll.
4. GEDANKEN ZIEHEN LASSEN
Das ist der größte Frustpunkt! Ihr könnt am Anfang nicht abschalten und im "Hier und jetzt" sein, dies braucht seine Zeit. Man spürt es einfach noch nicht. Am Anfang versucht man krampfhaft nicht zu denken. Lass die Gedanken ziehen irgendwann klappt es. Ihr könnt euch wahrscheinlich schon vorstellen, dass das nicht von Erfolg gekrönt war.
Wieso?
Weil unser Gehirn im Alltag nicht daran gewöhnt ist, "nicht zu denken". Deswegen lege ich dir diesen Qigong-Tipp direkt am Anfang ans Herz: Akzeptiere deine Gedanken. Ärger dich nicht darüber (auch das braucht etwas Übung), sondern nimm deine abschweifenden Gedanken einfach neutral wahr. „Aha, wieder ein Gedanken. Das ist okay – aber jetzt darf ich ihn auch wieder ziehen lassen“. Ich verspreche euch: Es gelingt euch bald und irgendwann werdet ihr beim Qi Gong Üben so richtig abschalten können.
Qigong-Ehrenwort.
5. DIE BEINE ZITTERN NACH 10 MINUTEN – UND DAS IST VÖLLIG IN ORDNUNG!
Die Grundhaltung beim Qigong sieht auf den ersten Blick nun wirklich nicht nach Krafttraining aus. Und doch erschreckt man als Anfänger, wenn einem nach wenigen Minuten bereits die Beine schlackern. Und direkt ist man auch schon wieder in der Bewertung „Oh, bin ich untrainiert.“ Und jetzt? Durchhalten und so stehen bleiben, damit es toll aussieht? Ihr müsst euch nicht zwingen durchzuhalten. Mein Tipp: Vergrößert euren Beinabstand etwas, wenn ihr merkt, es geht zu sehr auf die Oberschenkelmuskulatur. Und wenn euch die Anspannung zu sehr ablenkt: Stellt euch einfach wieder gerade hin. Mit jedem Mal wird es besser. Denn vergesst nicht: Die Grundhaltung sieht zwar einfach aus, aber deine Muskulatur bzw. dein Körper ist diese Position (noch) nicht gewöhnt.
6. GÄHNE, WANN IMMER DU DAS BEDÜRFNIS VERSPÜRST
Wann immer ihr während dem Qigong gähnen müsst: Tu es! Gähnen ist ein gutes Zeichen dafür, dass ihr euch während der Einheiten entspannt. Und ein herzhaftes Gähnen aus Scheu zu unterdrücken, ist überhaupt nicht hilfreich für euern Körper. Schenkt ihm den frischen Sauerstoff, nach dem er fragt.
7. DAS HIMMLISCHE QI UND DER AFFE, DER ABGEWEHRT WERDEN SOLL
Zugegeben, die Bezeichnungen der Qigong-Übungen sind anfangs sehr befremdlich und wirken irgendwie willkürlich festgelegt. Alles nur esoterisches Gerede oder steckt hinter den Affirmationen wirklich etwas? Wer die einzelnen Übungen so benannt hat, lässt sich nicht mehr exakt zurückverfolgen. Zumindest ist klar, sie sind sehr alt. Aber ob es nun der „Affe“ ist, der abgewehrt werden soll oder das ihr euch euren Vorgesetzten während der Übung vorstellt: Eine prägnante Visualisierung wird euch helfen, die Übungen und den Sinn, der dahinter steckt besser zu spüren. Lasst euch darauf ein, egal wie merkwürdig es euch vorkommt.
Hier nochmal die wichtigsten Tipps zusammengefasst, die euch in der Praxis helfen werden, Qigong erst richtig zu genießen, um euren Stressspiegel nachhaltig zu senken:
1. Ästhetik spielt bei Qigong keine Rolle – niemand bewertet euch, also fokussiert euch ganz beruhigt auf das Training
2. Nur dein eigener natürlicher Atemrhythmus zählt
3. Atemgeräusche sind ganz natürlich
4. Stehe deinen Gedanken neutral gegenüber. Lass sie da sein und in Ruhe weiterziehen.
5. Wenn deine Beine zittern, finde eine angenehmere Position für dich
6. Gähnt wann immer ihr das Bedürfnis verspürst
7. Affirmationen helfen euch, die Energie der Übungen besser zu spüren
Jetzt habt ihr alle wichtigen Tipps an der Hand und könnt Qigong von Anfang an entspannt üben.
Gib der Zeit ihre Zeit!
„Das beste Gebet ist Geduld“
Liebe Grüße Steffen